BayernInvest | Konjunktur & Märkte

25.07.2023

Finale (Zins-)Schritte zum Sommer-(Zins-)Hoch



Der weitere Zinsausblick ist eng verknüpft mit der Frage, ob und wann die US-Wirtschaft in die Rezession abgleitet oder zumindest aus Fed-Sicht ausreichend Abschwächungstendenzen aufweist. Ich beleuchte die fünf Hauptargumente, die aktuell gegen eine bevorstehende Rezession angeführt werden. Die jüngsten Konjunktur- und Marktentwicklungen bestätigen aber weitgehend unsere fundamentalen Erwartungen. Eine US-Rezession in den kommenden Quartalen bleibt somit Teil des Base Case. Entsprechend halten wir an unseren mittelfristigen Prognosen – inklusive fallender Renditen – und unserer Allokationsempfehlung fest.


Inhalte

  • Was sind die Argumente gegen eine bevorstehende US-Rezession wert?
  • Fallende Kerninflation ermöglicht Zinsgipfel und Trendwende bei den Renditen
  • Asset-Allokationsempfehlung – Renten hui, Aktien und Spreads aber dennoch nicht pfui

Während die Eurozone wirtschaftlich enttäuscht, zeigen sich die USA noch robust

Die wirtschaftliche Entwicklung der Eurozone verlief zuletzt enttäuschend. Die bereits seit einigen Monaten beobachtbare Tendenz, dass veröffentlichte Konjunkturdaten die zuvor bestehenden Erwartungen nicht erfüllen können, setzt sich fort, wie ein Blick auf deutlich fallende Surprise Indizes belegt. Die Anfang der Woche veröffentlichten Einkaufsmangerindizes für den Euroraum waren hier keine Ausnahme. Zudem wurde deutlich, dass die im verarbeitenden Gewerbe schon länger beobachtbare Schwäche mittlerweile auch auf den Dienstleistungsbereich übergreift. Alles in allem trüben sich die Aussichten für Euroland weiter ein.

Ganz im Gegensatz dazu überraschten die US-Wirtschaftsdaten ein ums andere Mal auf der positiven Seite und sorgen so in der Summe auch dafür, dass die US-Notenbank trotz deutlich gefallener Inflation in ihrer bevorstehenden Sitzung sehr wahrscheinlich noch einmal an der Zinsschraube drehen wird.

Während die Ursache für enttäuschende wirtschaftliche Daten in der europäischen Währungsunion mit der schwächelnden chinesischen Wirtschaft, den strukturellen Wachstumsproblemen im Euroraum und den geschmälerten real verfügbaren Einkommen schnell ausgemacht ist, ist die relative Stärke der US-Wirtschaft – nach Zinsanhebungen von in Summe 500 Basispunkten durch die Fed – weit weniger intuitiv.



Wird die bereits umgesetzte Straffung der Geldpolitik ihre konjunkturschwächende Wirkung erst noch entfalten und ist die damit verbundene US-Rezession nur aufgeschoben oder wird sie gänzlich ausfallen? Das ist die entscheidende Frage für den weiteren Zinsausblick, und zwar auf beiden Seiten des Atlantiks.

Fällt die US-Rezession aus oder kommt sie noch?

Im Folgenden beleuchte ich die fünf Hauptargumente gegen eine bevorstehende US-Rezession. Es sei aber bereits vorweggenommen, dass diese meines Erachtens am Ende des Tages wenig überzeugend sind. Unsere Erwartung einer noch bevorstehenden konjunkturellen Schwächephase in den USA bleibt ebenso bestehen, wie unsere Einschätzung, dass die Kombination aus fallenden Inflationsraten und ebenjener wirtschaftlichen Abkühlung zum Zinsgipfel der Notenbanken führen wird. In der Folge wird diese Entwicklung einen Trendwechsel hin zu fallenden Renditen bei Bunds, Treasuries und Co. ermöglichen. Das Alternativszenario einer sehr sanften oder gar ausbleibender Landung der US-Ökonomie wäre wohl auch zu schön, um wahr zu werden.



Wirkt die Geldpolitik heute schneller…?

These 1: „Der geldpolitische Transmissionskanal hat sich verkürzt – ohne weitere Zinsanhebungen gibt es keine wirtschaftliche Abkühlung.“

Auch im Entscheidungsgremium der Fed gibt es Vertreter, die dieses Argument vorbringen. Folglich soll ein Großteil der bislang erfolgten geldpolitischen Straffung bereits seine Wirkung entfaltet haben. Ohne weitere Zinsanhebung(en) wäre demnach keine wirtschaftliche Abkühlung zu erwarten. Während üblicherweise davon ausgegangen wird, dass der Transmissionskanal höherer Zinsen nur mit erheblichem Zeitverzug wirkt – also zwischen Zinsanhebungen und deren konjunkturdämpfender Wirkung mindestens vier Quartale liegen –, wird argumentiert, dass neuartige Instrumente der Geldpolitik den Übertragungsweg beschleunigt hätten. Insbesondere wird auf die Forward Guidance bzw. die Transparenz in der Kommunikation der US-Notenbank verwiesen.

Die Wirkung monetärer Straffung stellt sich auch über die Erwartungsbildung von Vertretern der Finanz- und Realwirtschaft ein. Zinsanhebungen werden antizipiert und somit wird eine schnellere Übertragung der geldpolitischen Straffung in die Realwirtschaft erzeugt. Die These klingt soweit logisch und beinhaltet – wie auch die folgenden Argumente – sicherlich ein gewisses Fünkchen Wahrheit. Während historische Muster allerdings weiter klar gegen diese These sprechen und eher einen zeitlichen Wirkungsverzug von mindestens vier bis sechs Quartalen aufzeigen, ist aber wohl das wichtigste Gegenargument, dass ein Großteil der mittlerweile von der Fed umgesetzten Zinsschritte eben nicht antizipiert wurde.

Die Zinserwartungen der Kapitalmarktteilnehmer mussten in den letzten Monaten ein ums andere Mal nach oben angepasst werden. Ergo kann aber auch die mit der Antizipation verbundene Wirkung noch nicht erfolgt sein. Wenn überhaupt, würde dies vermutlich gegenüber dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zinsanhebung auch nur eine Verkürzung des Wirkungsverzugs der Geldpolitik um ein bis zwei Quartale erlauben. Auch dann wäre also ein Großteil der bislang erfolgten Straffung noch nicht in der Realwirtschaft angekommen.



...oder wirkt die Geldpolitik langsamer als früher?

These 2: „Der geldpolitische Transmissionskanal hat sich verlängert.“

Diese These hört man häufiger und sie ist auch schwerer von der Hand zu weisen. Hier wird argumentiert, dass die bislang erfolgte geldpolitische Straffung noch längst nicht wirken konnte und es auch auf absehbare Zeit nicht wird, da sowohl Unternehmen als auch Haushalte die Niedrigzinsphase vor der Corona-Pandemie für sich zu nutzen wussten. Die durchschnittliche Laufzeit von Krediten wurde demzufolge deutlich ausgeweitet und dadurch wurden die günstigen Zinssätze festgeschrieben. Folglich besteht weniger Refinanzierungsbedarf, der bei den mittlerweile gestiegenen Zinsen gedeckt werden muss. Möchte die Notenbank eine schnelle Dämpfung der Wirtschaft erzeugen, um zeitnah zu niedrigeren Inflationsraten zurückzukehren – was der Argumentationslinie der EZB entspricht –, dann sind bei einem längeren Wirkungsverzug zwischen Kehrtwende der Notenbank und wirtschaftlicher Abkühlung mehr Zinsanhebungen vonnöten.

Tatsächlich hat sich beispielsweise die durchschnittliche Laufzeit von in US-Dollar-denominierten Investment-Grade-Unternehmensanleihen in den letzten Jahren erhöht. Im Euroraum war Ähnliches zu beobachten. Allerdings gilt für die USA, dass dies nur in relativ beschränktem Ausmaß geschehen ist. Auf Indexebene hat sich die durchschnittliche Restlaufzeit bis zur Fälligkeit der im Index enthaltenen Anleihen seit 2014 von 9 Jahren auf aktuell 10,5 Jahre erhöht. Meines Erachtens ist das zu wenig, um tatsächlich einen nennenswerten Unterschied für die Wirkung der Geldpolitik zu erzeugen. Hinzu kommt, dass für Investitionsentscheidungen sicherlich auf aktuelle Refinanzierungssätze abgestellt wird, wie man seitens der Konsumentinnen und Konsumenten hinsichtlich der geringen Nachfrage nach Hypothekendarlehen ablesen kann.

Dennoch ist festzuhalten, dass (US-)Unternehmen ihre liquiden Mittel in den letzten Jahren aufgestockt haben. Der Zinsanstieg und die inverse Zinsstrukturkurve führen daher paradoxerweise tatsächlich dazu, dass die Netto-Zinszahlungen der Unternehmen jüngst sogar gefallen sind. Sukzessive ist aber davon auszugehen, dass der Schuldenüberhang, der Unternehmen einen normalen Geschäftsbetrieb ermöglicht, in steigenden Zinszahlungen münden sollte und somit ebenso die geldpolitische Kehrtwende der jüngeren Vergangenheit die Wirtschaft durchdringen sollte.

Wie lange bleiben Konsumausgaben noch robust?

These 3: „Die Konsumentinnen und Konsumenten verfügen noch immer über hohe Reserven.“

Die US-Wirtschaft steht und fällt mit dem privaten Konsum. Die während der Corona-Pandemie aufgelegten fiskalischen Stützungsprogramme haben – zu einer Zeit, zu der die Konsumentinnen und Konsumenten kaum Möglichkeiten hatten, Geld auszugeben – für hohe Überschussersparnisse gesorgt, die noch immer die Konsumtätigkeit tragen. Sowohl das Volumen dieser Reserven in ihrer ursprünglichen Größenordnung zu bestimmen als auch die gegebenenfalls noch vorhandenen Mittel zu schätzen, ist komplex. Volkswirte versuchen sich in ihren Schätzungen anzunähern, über die Veränderungen der real verfügbaren Einkommen, die verfügbaren liquiden Mittel bzw. die kurzfristig verfügbaren Einlagen bei Banken oder auch über die während der Pandemie nicht getätigten Ausgaben für Produkte und Dienstleistungen.

Wie bei den vorangegangenen Thesen wird auch in dieser Argumentationslinie eher erklärt, warum die US-Wirtschaft noch nicht in die Rezession abgeglitten ist. Aber diese wäre – egal wie man es dreht und wendet – nur aufgeschoben und nicht aufgehoben. Denn auch die größten Überschussersparnisse sind irgendwann aufgebraucht.

Eine jüngst veröffentlichte Fed-Studie geht davon aus, dass die US-Konsumentinnen und -Konsumenten ihren Extra-Puffer mittlerweile mehr als ausgeschöpft haben. Demgegenüber gelangen Analysen auf Basis der auf Konten gehaltenen Einlagen zu dem Schluss, dass damit vermutlich erst in den nächsten zwei bis sechs Monaten zu rechnen sei – demnach liegen die Einlagen noch rund 10% über dem Vor-Corona-Niveau, schwinden aber aktuell zügig.

In jedem Fall muss bei dieser Argumentation aber mitbedacht werden, dass die Ersparnisse nicht gleichmäßig in der Bevölkerung verteilt sind. Insbesondere die mit weniger Vermögen gesegneten Haushalte sowie Geringverdienerinnen und Geringverdiener dürften mittlerweile erhebliche Probleme haben, ihre Lebenshaltungskosten zu tragen, während wohlhabendere Teile der Bevölkerung keinerlei Konsumeinschränkungen vornehmen müssen. Dies verzerrt aggregierte Betrachtungen sowohl der Überschussersparnisse als auch der tatsächlich für Konsumzwecke verfügbaren liquiden Mittel.

Steigende Verzugsraten bei Konsumentenkrediten sowie zunehmend auch Meldungen seitens konsumsensitiver US-Unternehmen, die fallende Nachfrage verzeichnen, verdeutlichen aber meines Erachtens, dass die Abschwächung des privaten Konsums in den USA bereits eingesetzt hat und sich in den kommenden Monaten – trotz wieder leicht steigender Realeinkommen – fortsetzen dürfte. Die jüngst veröffentlichten US-Einzelhandelsstatistiken – mit nominal praktisch stagnierenden Umsätzen im 2. Quartal 2023 – bestätigen diesen Trend.

Nachdem im August 2023 mit dem auslaufenden Moratorium für Studierendenkredite und den dann wieder einsetzenden Zinsforderungen erhebliche zusätzliche Belastungen auf rund 40 Mio. US-Haushalte zukommen werden, dürfte sich die Belastung der Verbraucherinnen und Verbraucher weiter erhöhen. Die Höhe der Zinszahlungen wird auf rund 6% bis 8% der „normalen“ monatlichen (Konsum-) Ausgaben geschätzt. Geld, das woanders eingespart werden muss.


US-Subventionsprogramme überlagern (noch) restriktive Geldpolitik


Oder tragen die Biden-Programme, bis Chinas erwartete Stimuli einsetzen?

These 4: „Die Subventionsprogramme der Biden-Administration kurbeln die US-Konjunktur an und überbrücken das Zeitfenster, bis sich Chinas Wirtschaft erholt hat.“

Die US-Fiskalpolitik ist klar expansiv, der Bundeshaushalt läuft aktuell mit einem Defizit – gemessen auf Basis rollierender 12 Monate – von gut 8% der US-Wirtschaftsleistung. Die US-Wirtschaft profitiert im Gegenzug von den Subventionsprogrammen von US-Präsident Joe Biden sowie von der unter Ex-Präsident Donald Trump eingeleiteten Abkopplung von China. Insbesondere das verarbeitende Gewerbe plant und errichtet in erheblichem Ausmaß neue Fabriken in den USA, wodurch die Bauinvestitionen in diesem Bereich in die Höhe schnellen. Für wen diese Fabriken allerdings produziert werden sollen, wenn die Konsumentinnen und Konsumenten keinen finanziellen Spielraum mehr haben, steht in den Sternen.

Trotz der beeindruckenden Entwicklung trägt diese Bautätigkeit weniger als ein Prozent zur Wirtschaftsleistung bei und wird somit kaum den größeren Trend der US-Wirtschaft überdecken. Hinzu kommt, dass die Subventionsprogramme (IRA, Chips-Act) zeitlich limitiert sind und vor dem Hintergrund der im kommenden Jahr anstehenden Wahlen betrachtet werden müssen. Vermutlich dürfte die mit den Programmen verbundene (Bau-)Tätigkeit der Unternehmen häufig den Charakter von Vorzieheffekten aufweisen. Zudem wird durch die Subventionen die Gefahr von Überkapazitäten und Kapitalfehlallokationen erhöht, was spätere Wachstumsaussichten dämpfen kann.

Aus Sicht der Konjunkturanalyse wichtiger aber noch: Das Haushaltsdefizit in den USA ist nicht nachhaltig auf diesem Niveau haltbar und auch für sich genommen kein sonderlich positives Zeichen für die US-Wirtschaft. Hier ist zum einen die Einigung in der Debatte um die Anhebung der Schuldenobergrenze zu nennen, die eine Ausgabenkappung in den kommenden Jahren vorsieht und somit eine Reduktion des Haushaltsdefizits erwarten lässt. Es gilt zudem zu berücksichtigen, wie das Haushaltsdefizit zustande kommt. Die Zinszahlungen, die das US-Schatzamt auf US-Schuldtitel zu leisten hat, nähern sich – annualisiert – der 1 Bio. US-Dollar-Marke an und schränken somit den fiskalischen Spielraum ein, während zuletzt die Steuereinnahmen zum Vorjahr um 7% gesunken sind. Gerade letzteres ist nicht etwas, das man in einer deutlich wachsenden Ökonomie erwarten würde.



Dennoch gilt: Die positiven (wenn auch in der Größenordnung m.E. eher überschaubaren) Effekte dieser Programme auf die aktuelle konjunkturelle Lage werden wohl noch einige Monate zu spüren sein. Häufig wird argumentiert, dass durch diese von den Subventionsprogrammen ausgelöste Sonderkonjunktur genau das Zeitfenster überbrückt wird, bis die chinesische Wirtschaft wieder Tritt gefasst hat und der Weltwirtschaft in eine neue Boomphase verhilft. Schwächere China-Daten, wie zuletzt veröffentlicht, kommen den Fürsprechern dieser These dabei sogar gelegen, denn dadurch werde die Wahrscheinlichkeit groß angelegter Stimulus-Programme seitens der chinesischen Regierung erhöht, so die Argumentation. Während aktuell also der negative Impuls einer schwächeren chinesischen Wirtschaft ignoriert wird, soll der womöglich irgendwann in der Zukunft einsetzende positive Effekt folglich voll auf die US- bzw. die Weltwirtschaft durchschlagen.

In dieser Argumentation wird aber unterschlagen, dass die oben genannten Programme auf eine Verringerung der gegenseitigen Abhängigkeiten in den Handelsbeziehungen zwischen den USA und China abzielen. Außerdem plant die chinesische Regierung, ihre nationale Wirtschaft strukturell so zu verändern, dass die Wachstumsimpulse – anders als in der Vergangenheit – größtenteils im eigenen Land bleiben sollen.

China wird die Weltwirtschaft weit weniger beeinflussen, als dies in der Vergangenheit der Fall war. Und das gilt umso mehr für Europa – die Verschlechterung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wird dazu beitragen, dass globale Wachstumsimpulse in deutlich geringerem Maße Wirkung entfalten.

Oder ist die Geldpolitik am Ende aktuell noch gar nicht restriktiv?

These 5: „Der für die geldpolitische Ausrichtung entscheidende neutrale Zins ist deutlich höher als bislang angenommen. Die Geldpolitik ist noch nicht restriktiv.“

Ein fast schon philosophisches Argument. Denn der neutrale Zins – und damit eine objektive Beurteilung, ob die aktuelle geldpolitische Ausrichtung restriktiv oder noch immer expansiv ist – ist nicht beobachtbar. Die meisten Schätzungen gehen aber davon aus, dass der für die US-Wirtschaft relevante neutrale Zinssatz bei nominal etwa 2% liegt. Selbst wenn er höher als bislang unterstellt läge, sagen wir bei 3%, wäre die aktuelle geldpolitische Ausrichtung klar restriktiv und eine (deutliche) konjunkturelle Abschwächung nur eine Frage der Zeit.

Eine andere Betrachtung stellt auf die reale Fed Funds Rate als Gradmesser einer (ausreichend) restriktiven Geldpolitik ab. Erst wenn diese deutlich positiv ist, soll die Geldpolitik eine ausreichende dämpfende Wirkung entfalten. Häufig wird in diesem Zusammenhang dann auf die Differenz zwischen Leitzins und (Kern-)Inflationsrate verwiesen. Tatsächlich ist diese Größe in den USA erst seit Kurzem positiv und in der Eurozone noch immer negativ. Allerdings werden hier Äpfel mit Birnen verglichen. Denn der Zins ist eine die Zukunft betreffende Variable, während die Inflationsrate die zurückliegenden 12 Monate abdeckt. Wenn überhaupt müsste man bei diesem Vergleich also – formal korrekt – auf die fristenkongruenten, also i.d.R. 1-jährigen Inflationserwartungen abstellen. Und unter Verwendung der daraus resultierenden realen Leitzinsen wäre auf beiden Seiten des Atlantiks bereits seit dem Herbst vergangenen Jahres ein (ausreichend) restriktives Zinsniveau erreicht.



Fazit: Argumente für Soft-Landing oder ausbleibende US-Rezession überzeugen nicht

Die Thesen gegen eine bevorstehende US-Rezession sind zwar allesamt logisch und nachvollziehbar, erklären in der Regel aber eher, warum sich bislang noch keine Rezession eingestellt hat. Für die Zukunft ausschließen sollte man eine US-Rezession auf Basis dieser Argumente jedoch nicht. Ganz im Gegenteil. Da diese Argumente teilweise auch von Vertretern der Notenbanken dies- und jenseits des Atlantiks zu hören sind, wird dadurch das Risiko einer zu starken Straffung der Geldpolitik meines Erachtens deutlich erhöht – was ein Übersteuern und letztlich zu starkes Abbremsen der konjunkturellen Dynamik nur wahrscheinlicher werden lässt.

Positiv ist in diesem Zusammenhang aber, dass in der Eurozone mittlerweile wohl auch bei den ersten geldpolitischen Falken ein Umdenken einzusetzen scheint. Zumindest können die vergangene Woche vom niederländischen Vertreter im EZB-Rat, Klaas Knot, getätigten Aussagen hinsichtlich fallender Inflationsraten und eines möglichen Verzichts auf eine Zinsanhebung der EZB im September, in diese Richtung interpretiert werden.

Über den Sommer: Fokus auf Kern-Inflationsraten

Losgelöst von den Argumenten hinsichtlich einer noch zu erwartenden US-Rezession sind selbstverständlich die weiteren Inflationsdatenpunkte für die Notenbanker entscheidend. Nachdem kaum Zweifel bestehen, dass EZB und Fed in ihren bevorstehenden Sitzungen nochmalige Zinsanhebungen um je 25 Basispunkte verkünden werden, sind es die Entwicklungen über den Sommer, die hier Zeit zum Evaluieren geben. Wir rechnen bis zu den September-Sitzungen mit deutlichen Signalen, dass sich auch die Kerninflationsraten im Abwärtstrend befinden. In den USA ist die Kernteuerungsrate von ihrem Hoch bereits um etwa zwei Prozentpunkte gefallen. Im Juni lag diese zwar noch immer bei unerfreulich hohen 4,8%, fallende Gebrauchtwagenpreise und überrollende Entwicklungen im Mietmarkt lassen aber einen Rückgang auf gut 4% im Herbst erwarten. Ohne die beiden genannten Komponenten dürfte sich die Preisdynamik sogar auf etwa 3% abschwächen und das Notenbankziel damit wieder in greifbare Nähe rücken lassen.

Im Euroraum wird die Kernteuerung, unseren Simulationen zufolge, bis Ende des Sommers um etwa einen Prozentpunkt gefallen sein. Bis Jahresende dürfte die Kernteuerung dann auf rund 3,5% fallen, mit der Tendenz im Jahr 2024 wieder die 2 vor dem Komma zu erreichen.



Basisszenario: Nach dem Sommer keine weiteren Zinsschritte seitens EZB und Fed

In beiden Fällen sollte diese Entwicklung für die Notenbanken ausreichen, um von weiteren Zinsanhebungen Abstand zu nehmen. Je nachdem, wann die von uns erwartete weitere wirtschaftliche Abkühlung in den USA einsetzt, dürften Zinssenkungen der Fed – und in der Folge der EZB – auf die Agenda rücken.

Der Blick der Notenbanken richtet sich – neben Wachstums- und Arbeitsmarktdaten – also weiter auf die Kernteuerung. Insbesondere in der Eurozone sind Risiken für den weiteren Inflationsverlauf derzeit aber eher auf der Ebene der Energie- und Lebensmittelpreise zu finden – denn die sich abschwächende Tendenz der Lohndynamik hat sich zuletzt weiter fortgesetzt, was den Preisdruck entsprechend dämpfen sollte.



Sommer-Inflationsrisiken bestehen, sind aber bekannt

Es gibt aber auch Risiken für die Inflation. Hinsichtlich der Energiepreisentwicklung sind die Pegelstände am Rhein und die mit den letztjährigen Einschränkungen der Schiffbarkeit erfolgten Versorgungsprobleme (süd-)deutscher Tankstellen noch gut in Erinnerung. Auch in diesem Jahr weist der Rhein wieder eine abnehmende Wassertiefe auf. Noch scheint sich die Situation aber weniger dramatisch zu entwickeln als es noch 2022 der Fall war – nichtsdestotrotz sollte diese Entwicklung im Auge behalten werden. Ähnliches gilt für die Lebensmittelpreise. Eigentlich ist damit zu rechnen, dass die seit einigen Wochen beobachtbare Tendenz zu rückläufigen Teuerungsraten weitergeht. Das zumindest vorläufige Ende des Getreideabkommens im schwarzen Meer und der mittlerweile offiziell angekommene El Niño bergen aber Aufwärtsrisiken bei Grundnahrungsmitteln wie Weizen, Reis, Soja und Speiseölen. Grundsätzlich sind beide Themen antizipiert worden. Die tatsächlichen Effekte lassen sich aber im Vorfeld kaum seriös in Prognosen überführen. Es ist aber wohl fair anzunehmen, dass die Skeptiker hinsichtlich eines dauerhaften Inflationsrückgangs sowie die Fürsprecher einer nur transitorischen Disinflationswelle sich über den Sommer kaum eines Besseren belehren lassen werden bzw. dies erst im Nachgang anerkennen.



Was heißt das für die Märkte?

Für die (Renten-)Märkte bedeutet dies wohl eine Fortsetzung der volatilen Seitwärtsbewegung der letzten Wochen, auch wenn saisonale Effekte, wie das geringe Angebot an Neuemissionen und die generell dünne Marktliquidität in Verbindung mit der relativ einseitigen Positionierung, für tendenziell fallende Renditen sprechen.

Über die nächsten Wochen hinausblickend, bleiben wir aber bei unserer Einschätzung, dass das aktuelle Renditeniveau am Rentenmarkt attraktive Opportunitäten eröffnet und mittelfristig sowohl zyklische als auch strukturelle Faktoren dafür sprechen, dass das Renditeniveau wieder (deutlich) fallen sollte.



Für die USA und US-Treasuries gesprochen, gilt beispielsweise, dass die dortigen längerfristigen Realzinsen mittlerweile ein Niveau erreicht haben, das eine Rezession eingepreist hat. Weiter steigende US-Realzinsen sollten daher ausbleiben. Auf der anderen Seite sind die Inflationserwartungen bislang noch nicht in dem Ausmaß gefallen, wie es konjunkturelle Frühindikatoren nahegelegt hätten. Hier dürfte eine noch einsetzende US-Rezession also nochmals für Abwärtsdruck sorgen. Zusammengenommen spricht dies weiter für fallende US-Treasury-Renditen in den kommenden sechs bis zwölf Monaten. Wir rechnen hier weiterhin mit Renditen, die mittelfristig wieder deutlich unter 3% liegen sollten. Übertragen auf Bundesanleihen bedeutet dies, dass die Verzinsung 10-jähriger deutscher Staatspapiere mittelfristig wieder deutlich unter 2% liegen sollte.

Für Aktien und Credits erwarten wir, dass die Bäume zwar nicht in den Himmel wachsen sollten, Abwärtsrisiken aufgrund der von uns prognostizierten weniger restriktiven geldpolitischen Ausrichtung trotz des schwächeren wirtschaftlichen Umfelds aber dennoch ebenfalls begrenzt bleiben. 

Das bedeutet beispielsweise, dass europäische Aktien kaum aus den zuletzt etablierten Seitwärtsspannen ausbrechen können und US-Aktien eine deutlich nachlassende Aufwärtsdynamik aufweisen sollten. Der DAX wird zum Jahresende kaum die 16.750 Punke überschreiten und der S&P 500 wird wohl unter der Marke von 4.750 Punkten schließen. Erst im kommenden Jahr dürften dann höhere Indexstände in Angriff genommen werden.


Unsere Anlageempfehlung für global agierende und Euro-Investoren


Ihr
Bernhard Grünäugl


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