Renditeoasen in der Zinswüste

Nachranganleihen überzeugen etliche institutionelle Anleger trotz Corona-Krise. Martin Achter erläutert die Chancen und Risiken der Asset-Klasse.

Nachranganleihen von Banken und Versicherungen überzeugen zahlreiche institutionelle Investoren als Renditeoasen in der Zinswüste. Hat sich das durch die Corona-Krise grundsätzlich geändert?

Wenn Nachranganleihen von Banken und Versicherungen bereits vor der Corona-Krise als Renditeoasen in der Zinswüste galten, dann tun sie dies jetzt umso mehr. Während sich generell am Niedrigzinsniveau bei klassischen Rentensegmenten wie Staatsanleihen, Pfandbriefen oder auch Unternehmensanleihen aus dem Investmentgrade-Bereich kaum etwas verändert hat, haben sich die Risikoaufschläge für Nachranganleihen um ca. 250-300 Basispunkte ausgeweitet. Noch deutlicher war die Bewegung bei AT1-Anleihen, die aufgrund ihrer Nähe zum Aktienkapital besonders starke Kursverluste hinnehmen mussten und teilweise selbst für gute Bonitäten bei über 10% Rendite zum nächsten Kündigungstermin handelten. Die Unsicherheit bei Investoren über das Ausmaß an künftigen Ausfällen in den Kreditbüchern der Banken ist verständlicherweise groß, allerdings gehen die europäischen Banken generell aus einer starken Position heraus in diesen realen Stresstest. Seit der letzten großen Finanzkrise wurden die Kernkapitalquoten auf durchschnittlich 14,3% der RWA nahezu verdoppelt. Die Asset-Qualität hat sich ebenfalls stark verbessert, v.a. bei Banken der Peripherie. So konnten z.B. italienische Banken den Bestand an ausfallgefährdeten Krediten seit 2015 um ca. 70 % verringern. Banken sind also generell gut gerüstet für den zweifelsohne anstehenden Stresstest, der durch die Corona-Krise ausgelöst wurde.

Richten wir den Blick nach vorne. Wie können Investoren die Chancen des Nachrangmarktes weiterhin effizient wahrnehmen?

Investoren sollten sich derzeit bei Nachranganleihen auf Emittenten kerneuropäischer Länder sowie auf die sogenannten „National Champions“ der Peripherie fokussieren. Skandinavische Banken gehören schon seit langem zu den fundamental stärksten Bonitäten, bieten aber unter den Nachrangemittenten die niedrigsten Spread-Aufschläge bzw. Renditen. Französische Banken und Banken aus den Benelux-Staaten, aber auch die Schweizer Großbanken sowie die bereits erwähnten „National Champions“ aus Italien, Spanien und Portugal bieten unter Risiko-Return-Gesichtspunkten aktuell gute Einstiegsmöglichkeiten.

Wodurch zeichnet sich im Kern der BayernInvest Subordinated Bond Fonds aus und wie positionieren Sie sich derzeit als aktiver Manager?

Der BayernInvest Subordinated Bond Fonds nutzt die breite Palette von Nachranganleihen aus den Bereichen Banken und Versicherungen. Corporate-Hybrid-Anleihen von Non-Financials dienen als opportunistische Beimischung im Rahmen von ca. 5 bis 10% des Fondsvermögens. Euro-denominierte AT1-Anleihen (CoCos) von Banken und RT1-Anleihen (Restrictive Tier 1) von Versicherungen gehören ebenso zum Investmentuniversum wie Tier-2-Anleihen von europäischen Banken und Versicherungen. Als aktiver Manager nutzen wir jedoch auch die Möglichkeit, einen Teil als Liquidität zu halten, aktuell beträgt die Kasse 23 % des Fondsvolumens. Durch das Investment in die Bereiche Banken und Versicherungen, die in puncto „Environment“ generell besser aufgestellt sind als Industrieunternehmen, weist der Fonds einen sehr guten ESG-Score von aktuell 7,6 (Rating-Note AA) aus. Der Nachrangmarkt verhält sich aktuell noch sehr volatil; um seine Strategie umsetzen zu können, sollte man möglichst antizyklisch handeln. Neue Investments werden sich auf Emittenten aus den vorgenannten Ländern fokussieren, also v.a. französische Emittenten und Emittenten aus den Benelux Staaten sowie den „National Champions“ aus der Peripherie.

Nachranganleihen oder doch gleich Bankaktien – wer macht das Rennen?

Diese Frage lässt sich für die vergangenen, aber auch für die zukünftigen Jahre sehr eindeutig beantworten: Nachranganleihen. Die strengen regulatorischen Anforderungen der letzten Jahre an die Banken hatten den Zweck, die Kapitalausstattung der Banken deutlich zu stärken sowie die Asset-Qualität zu verbessern. Dies war und ist positiv für Fremdkapital- und für Nachranginvestoren. Die damit verbundenen hohen regulatorischen Kosten sowie das niedrige Zinsumfeld machen es den Banken jedoch schwer, einen angemessenen Return on Equity zu erzielen und die Phantasie auf steigende Dividenden zu nähren. Die Maßnahme der EZB, den europäischen Banken den Ausfall der Dividende bis Oktober 2020 sowie ein Aussetzen bei eigenen Aktien-Rückkaufprogrammen nahezulegen, spricht ebenfalls nicht für Bankaktien. Hingegen betonte der Chef der EZB-Aufsichtsbehörde, Andrea Enria, dass ein genereller Ausfall von AT1-Kupons nicht geplant sei. Vergleicht man die Performance des europäischen Aktienindex für Banken (SX7E) mit der des iBoxx Financial Subordinated Index, so ergibt sich allein in den letzten fünf Jahren seit 1. Januar 2015 ein Unterschied von 70 Prozent zugunsten des Nachrangkapitals.

ESG bleibt hoch im Kurs, auch im Segment Nachranganleihen?

ESG hat aufgrund der Ereignisse um die Corona-Krise aktuell nicht die oberste Priorität bei den Kunden. Aber natürlich wird das Thema im Zuge einer Erholung und Normalisierung an den Kapitalmärkten wieder stärker in den Fokus kommen, so wie das bereits im letzten Jahr der Fall war. Künftige Investmentrichtlinien werden sich immer mehr an ESG-Anforderungen ausrichten und Emittenten zu einem bewussteren Umgang mit ESG-relevanten Themen zwingen. Banken und Versicherungen weisen generell gute ESG-Scores auf. Kritisch wird es bei Financials unter Umständen nur beim Thema Governance, siehe z.B. das Thema Geldwäsche, in das einige europäische Banken verwickelt sind.

Nehmen wir an, wir treffen uns in einem Jahr wieder, was hat sich bis dahin verändert?

Nach meiner persönlichen Einschätzung werden aufgrund der vielschichtigen und signifikanten Maßnahmen der internationalen Notenbanken viele Aktienindizes auf neuen Höchstständen handeln, Spreads von Nachranganleihen werden sich deutlich erholt und eingeengt haben und durch die massiven Anleihen-Kaufprogramme der EZB wird die Jagd nach Rendite wieder in vollem Gange sein. Meine Haare werden nach einigen Friseurbesuchen hoffentlich wieder eine angemessen kurze Länge erreicht haben.

Zum Artikel im Magazin dpn