BayernInvest | Konjunktur & Märkte

18.10.2022

Notenbanken ohne Kursänderung – dennoch versöhnlicher Jahresabschluss?

Wohin geht die Reise? Ob die Inflationsraten weiter steigen oder nun zu fallen beginnen, bleibt entscheidend für die Geldpolitik und damit für die Kapitalmarktaussichten. Kurzfristig wird sich an den bestehenden Trends nichts ändern. Weitere Zinsschritte in Höhe von jeweils 75 Basispunkten seitens EZB und Fed sind fest eingeplant. Auch danach stehen weitere Zinserhöhungen an. Mit der anlaufenden Quartalsberichtssaison und den politischen Großereignissen in China und den USA werden sich jedoch zusätzliche Themen in die Schlagzeilen mischen. Vor Zuversicht strotzende Unternehmen, die den Aktienanalysten keinen Anlass geben, ihre Gewinnschätzungen für 2023 zu senken, dürften rarer werden. Die Norm wird wohl sein, dass von verschlechterten Geschäftsaussichten berichtet wird.

Während sich unser Basisszenario weiter eintrübt, scheinen noch extremere Entwicklungen – etwa Gasrationierungsmaßnahmen – aber unwahrscheinlicher zu werden. Bei allen bestehenden Risiken für die Märkte ist an manchen Stellen die Rendite unseres Erachtens damit bereits so attraktiv geworden, dass sich erste antizyklische Zukäufe mittelfristig auszahlen sollten. Wir haben unsere Empfehlung für Euro High Yield und Financial Nachränge zuletzt auf Übergewichten angehoben.

Von Bernhard Grünäugl,
Leiter Investment Strategy und ESG Research der BayernInvest



Inhalte

  • Die Rezension dürfte bereits begonnen haben
  • Die Geldpolitik lässt Risiken für die Finanzmarktstabilität weiter steigen
  • China – Rückenwind für die Weltwirtschaft?
  • Folgen der Zwischenwahlen in den USA
  • Unternehmensgewinnschätzungen noch nicht weit genug gefallen
  • Unsere Anlageempfehlung

Sicher ist, dass die Kapitalmärkte volatil bleiben. Die Schwankungen insbesondere am Rentenmarkt haben Rekordausmaße angenommen. Kurzfristig ist nicht mit einer Beruhigung zu rechnen. Während die Irrungen und Wirrungen der britischen Finanzpolitik und Eingriffe der Bank of England einen deutlichen Einfluss auf die Renditeschwankungen bei Gilts, Bunds und Treasuries hatten, sind es unterliegend doch weiterhin die Inflations- und Arbeitsmarktdaten, die sich am stärksten auf die einzupreisende Notenbankpolitik auswirken. Im konjunkturellen Zyklus sind dies aber nachlaufende Indikatoren. Staatliche Eingriffe wie die avisierten Strom- und Gaspreisdeckel werden die Inflationsraten senken. Der von der EZB wahrgenommene Preisdruck wird aber erst über die kommenden Monate nachlassen. Die sich abzeichnende Rezession und die Straffung der Geldpolitik haben bislang noch keinen Einfluss ausgeübt. Doch Frühindikatoren, die diese Effekte reflektieren, wie die Konsumneigung, spielen für die Ausrichtung der Geldpolitik aktuell nur eine untergeordnete Rolle.

Die Rezession dürfte bereits begonnen haben!



Auch wenn dies das beste Rezept für die Erzeugung eines schweren Politikfehlers ist: Die Geldpolitik bleibt vorerst auf Straffungskurs. Fed und EZB werden auf ihren nächsten Sitzungen die Leitzinsen jeweils um weitere 75 Basispunkte anheben. Weitere Schritte werden folgen. Die klar sichtbaren Rezessionsrisiken und die zunehmend zu Tage tretenden Risiken für die Stabilität des Finanzsystems werden noch von den Geldpolitikern ignoriert und dürften damit weiter verstärkt werden.

In der Regel wirken die dämpfenden Effekte von Zinsanhebungen erst rund neun Monate nach Ankündigung auf die Realwirtschaft. Die makroökonomischen Aussichten werden sich also weiter eintrüben. Dabei ist wichtig, dass die Geldpolitik in den USA bereits klar restriktiv ausgerichtet ist. In der Eurozone dürfte dies spätestens nach dem nächsten Zinsschritt der Fall sein.

Daher ist es nicht weiter verwunderlich, dass in EZB-internen Berechnungen die mit dem Inflationsziel kompatible Terminal Rate – also das Niveau, auf das die EZB den Leitzins in den kommenden Monaten anheben sollte, um die Inflation auf zwei Prozent zu drücken –, offenbar bei „nur“ 2,25 % verortet ist. Dass ist deutlich weniger, als die Kapitalmärkte derzeit einpreisen. Aber EZB-interne Modelle finden nach den zu niedrig prognostizierten Inflationsraten aktuell im EZB-Rat wenig Gehör. Vielmehr scheint das 25-köpfige Gremium mehr auf die eigene Expertise und Analysen vertrauen zu wollen. Ob das besser ist, wird die Zukunft zeigen.

Jedenfalls ist der von der EZB selbst berechnete Indikator zur Messung des systemischen Risikos im Finanzsystem bereits massiv angesprungen. Die Corona-Hochs sind de facto erreicht und bei zusätzlicher Straffung der Geldpolitik ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen und kapitalmarktseitigen Folgen könnten auch die 2008er Niveaus in Angriff genommen werden

Die Geldpolitik lässt Risiken für die Finanzmarktstabilität weiter steigen!



Die Debatte um den „richtigen“ neutralen Zins – also das Zinsniveau, bei dem die Geldpolitik weder akkommodierend noch restriktiv ausgerichtet ist – hat kürzlich (ausgerechnet) durch Wissenschaftler der Fed zusätzliche akademische Nahrung erhalten (Vgl.: https://www.newyorkfed.org/medialibrary/media/research/conference/2022/financial-stability/akinci_abdq_financialstabilityrealrate.pdf?la=en). Wenn das Zinsniveau längere Zeit sehr niedrig oder gar negativ war, lässt sich daraus die Implikation ableiten, dass die Geldpolitik mit Rücksicht auf das Finanzsystem oder stark gestiegene Schuldenstände weniger stark gestrafft werden sollte. Was die Geldpolitik tun sollte und was tatsächlich umgesetzt wird, sind momentan aber unterschiedliche Dinge!

Die Notenbankpolitik ist bis auf Weiteres also kein unterstützender Faktor für die Kapitalmärkte. Stattdessen wird wohl in den kommenden Wochen von dieser Seite eher Gegenwind wehen, selbst wenn wir weiterhin davon ausgehen, dass dieser graduell an Kraft verlieren sollte.

Gibt es aus anderer Richtung gegebenenfalls Unterstützung für die gebeutelten Kapitalmärkte? Neben geldpolitischen Entscheidungen stehen die langsam an Fahrt aufnehmende Berichtssaison und politische Events, wie die Midterms in den USA oder der Parteikongress in China, für die nächsten Wochen auf der Agenda.

In seiner Eröffnungsrede hat der chinesische Präsident am Sonntag jedoch bereits klar gemacht, dass zum einen China auf absehbare Zeit nicht von der Zero-Covid-Politik abrücken wird und dass zum anderen der Kurs gegenüber Taiwan fortgesetzt wird. Sicherheit und nationale Interessen in der Außenpolitik deutlicher zu vertreten waren wichtige Themen der Rede. Das Ringen mit den USA um die geopolitische Vormachtstellung wird sich in den kommenden Jahren daher wohl weiter intensivieren. Dass die USA zuletzt neue Exportbeschränkungen für Halbleiter gegenüber China verhängten, ist ein weiterer Schritt in diese Richtung. Gerade für deutsche und europäische Unternehmen bleibt es damit aber auch eine Gratwanderung, die längerfristigen politischen Risiken, eines China-Engagements gegenüber den damit verbundenen Absatzmärkten abzuwägen. Mit der Fortsetzung der Zero-Covid-Strategie dürfte auf Sicht aber auch der Belastungsfaktor einer lahmenden chinesischen Wirtschaft für die globale Konjunktur bestehen bleiben, obwohl der chinesische Kreditimpuls anderes suggeriert.

China – Rückenwind für die Weltwirtschaft trotz Zero-Covid und geopolitischer Spannungen?



Während die Politik in China also in nächster Zeit keinen Kurswechsel erfahren dürfte, steht bei den anstehenden US-Midterm-Wahlen eine Machtverschiebung zugunsten der republikanischen Partei an. Nachdem bereits seit Monaten in den Umfragen ein von Republikanern mehrheitlich besetztes Repräsentantenhaus als das wahrscheinlichste Ergebnis der Zwischenwahl galt, mehren sich aktuell auch die Anzeichen dafür, dass der Senat ebenfalls nicht mehr von der Partei des US-Präsidenten mehrheitlich besetzt sein wird. Der ohnehin geringe Handlungsspielraum Bidens dürfte sich weiter einengen. Dies gilt insbesondere in der Klimapolitik. In der Haushaltspolitik könnte das Haushaltsdefizit – einen republikanischen Erfolg vorausgesetzt – eventuell kleiner ausfallen als projiziert. Im aktuellen Umfeld wäre zumindest dieser Aspekt aus Kapitalmarktsicht vermutlich positiv zu werten.

Übernehmen die Republikaner nach den US-Zwischenwahlen den Kongress und fällt das Haushaltsdefizit dann geringer aus?



Neben den politischen und zentralbankseitigen Entscheidungen wird die Berichtssaison die Kapitalmärkte bewegen. Vor Zuversicht strotzende Unternehmen, die den Aktienanalysten keinen Anlass geben, ihre Gewinnschätzungen für 2023 zu senken, dürften rarer werden. Speziell außerhalb des die Gewinntabellen dominierenden Energiesektors. Die Norm wird wohl sein, dass von verschlechterten Geschäftsaussichten berichtet wird. Jüngste warnende Beispiele à la FedEx, Nike oder Elektrolux lassen für zyklische oder von der Konsumneigung abhängige Unternehmen wenig Positives erwarten. Die hohen Inflationsraten und der schmaler werdende Geldbeutel dürften in den kommenden Quartalen Spuren hinterlassen. Gleichzeitig sind insbesondere in Europa die Signale der Unternehmen in Hinblick auf Energiekosten wohl ein Hauptpunkt, auf den die Analysten im Rahmen der Bilanzvorstellungen Wert legen dürften. Das Damoklesschwert drohender Gasrationierungsmaßnahmen in Deutschland mag aufgrund der Gasspeicherstände, zuverlässiger Importquellen – ausbleibenden Infrastruktur-Terrorismus vorausgesetzt – und den erwarteten milden Wintertemperaturen an Schärfe verloren haben. Dennoch dürften die hohen Energiekosten massiv auf den Ergebnissen lasten.

Auch wenn in den vergangenen Wochen die Gewinnerwartungen mit Ausnahme der US-Indizes deutlich nach unten korrigiert wurden, so besteht für die Gewinnaussichten 2023 weiterhin Abwärtspotenzial. Abgeleitet aus der makroökonomischen Erwartung einer deutlich ausfallenden Rezession dürften die Unternehmensgewinne in 2023 eher um rund 10 % fallen als moderat zuzulegen. Ohne die geldpolitische Unterstützung in Form nachgebender Renditen und damit der Basis für sich ausweitende Multiples dürften es die Aktienmärkte damit auch schwer haben, in den kommenden Wochen eine nachhaltige Trendwende einzuläuten.

Unternehmensgewinnschätzungen noch nicht weit genug gefallen



Dennoch gibt es Kapitalmarktsegmente, wo es sich aus unserer Sicht mittelfristig auszahlen dürfte, schon jetzt erste antizyklische Aufstockungen vorzunehmen. Im Unterschied zum Aktienmarkt hat der Credit-Markt – insbesondere der High Yield Markt sowie der Financial Nachrang Markt – zuletzt eher Extremszenarien eingepreist, die sich so nicht materialisieren dürften. Bei AT1 Anleihen und auch im High Yield Markt sind aktuell bereits zweistellige Renditen zu vereinnahmen. Diese sollten bei einer noch höheren Belastung der Weltkonjunktur und damit stärker als von uns erwartet ansteigenden Ausfallraten einen ausreichenden Puffer darstellen.

USD-Funding bleibt teuer, wenn es dringend benötigt wird! Marktverwerfungen kreieren aber auch Opportunitäten bei Euro High Yield und Euro AT1 Anleihen



Unsere Financials-Experten attestieren den europäischen Banken eine grundsätzlich solide Bilanzqualität und hohe, stressresistente Kapitalisierungsquoten. Ein Anstieg der NPL-Quoten und der Cost-of-Risk sollte damit mittelfristig gut verkraftet werden können. In der kurzen Frist dürfte es aus Marktsicht aber insbesondere auf die USD-Funding-Erfordernisse ankommen. Indikatoren wie die ausgeweitete Eur/USD Cross-Currency-Basis oder die Tatsache, dass die Kreditlinie zwischen Fed und SNB mehrfach in Höhe von mehreren Mrd. USD gezogen werden musste, verdeutlicht, dass der Stress im Finanzsystem die USD-Knappheit verstärkt und entsprechende Liquiditätsengpässe multiplizieren kann. Wer aktuell unserer Empfehlung folgt, High Yield und Financial Nachränge überzugewichten, sollte auf eine rigide Einzelwertanalyse also keinesfalls verzichten, denn es wird auch in diesen Märkten in den kommenden Wochen Gewinner und Verlierer geben!


Unsere Anlageempfehlung


Ihr
Bernhard Grünäugl


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