BayernInvest | Konjunktur & Märkte

11.05.2022

Was für weiter steigende Renditen spricht – und was dagegen

Es ist nicht unser Basisszenario, aber der am Rentenmarkt beobachtbare dynamische Zinsanstieg könnte sich vorerst weiter fortsetzen. Denn es gibt noch immer gute Argumente für weiter steigende Renditen. Aber auch genug Gründe dagegen. Die Argumente, die für eine Verlangsamung der Kursverluste im Anleihebereich und letztlich für eine (teilweise) Korrektur sprechen, sollten unseres Erachtens im weiteren Jahresverlauf die Oberhand gewinnen. Nichtsdestotrotz gilt im Portfoliokontext, dass aktuell unter Chance- und Risiko-Gesichtspunkten maximal eine neutrale Durations-Positionierung empfehlenswert ist und auch Aktien und praktisch alle anderen Anlageklassen vorerst weiter im Fahrwasser der Renditen gefangen sind.

Selbstkritisch muss konstatiert werden, dass wir zwar mit relativ hohen Renditeerwartungen in das Jahr 2022 gestartet waren, der sich seit dem Jahreswechsel derart dynamisch und ausgedehnt verlaufende Renditeanstieg uns aber doch überrascht hat. Zu früh haben wir unsere Empfehlung, kurze Durationen zu bevorzugen, Anfang April aufgegeben. Die Argumente, die den Renditeanstieg bis zuletzt weiter befeuern, sprechen zumeist auch für einen weiteren Anstieg. Aber es gibt weiterhin auch gute Gründe, warum wir in unserem Basisszenario von einer nachlassenden Dynamik und letztlich von einer Gegenbewegung ausgehen. Gründe, die es zu diskutieren gilt.

Von Bernhard Grünäugl,
Leiter Investment Strategy und ESG Research der BayernInvest



Inhalte

  • Inflation – Energie, Lieferketten und das Warten auf die Trendwende in der Teuerung
  • Geldpolitische Straffung – Geschwindigkeit und Endpunkt-Diskussion
  • Technik – Zeitenwende oder Korrektur
  • BayernInvest Asset Allokation-Empfehlung

Inflation – Energie, Lieferketten und das Warten auf die Trendwende in der Teuerung

Zweifellos zählen die weiter gestiegenen Inflationsraten in den USA und der Eurozone sowie gestiegene Inflationserwartungen zu den Hauptursachen der Renditebewegung und ziehen Forderungen nach einer immer schnelleren und stärker ausfallenden geldpolitischen Straffung nach sich.

Solange die Preissteigerungen weiter so hoch ausfallen, wird diese Entwicklung wohl anhalten und die Renditen an den Anleihemärkten gen Norden tendieren. Dabei sind die Inflationsentwicklungen noch immer von drei wesentlichen Komponenten getrieben: den Energiepreisen (insbesondere Öl), den globalen Lieferketten und der daraus resultierenden Knappheit von Gütern sowie der möglichen Lohn-Preis-Spirale.

Energie: Dass die meisten Länder der Europäischen Union auf Importe russischen Öls ab dem Jahreswechsel 2022/2023 verzichten wollen, hat den Ölpreis zuletzt erneut steigen lassen. Auch die Ankündigung der Biden-Administration, die zuvor freigegebenen nationalen Ölreserven ab Oktober dieses Jahres wieder aufbauen zu wollen, hat dazu beigetragen, dass Öl der Nordseesorte Brent aktuell wieder bei gut 110 $/bbl notiert. Zusammen mit der schwindenden Hoffnung auf einen baldigen Waffenstillstand in der Ukraine spricht beides zudem dafür, dass die Ölpreise für die kommenden Wochen und Monate gut unterstützt bleiben dürften. Dennoch wird an den Rohstoffmärkten weiterhin mit leicht fallenden Notierungen gerechnet, wie die Forward-Kurven andeuten. Bis Jahresende sollen die Preise demzufolge auf etwa 100$ pro Barrel sinken und im kommenden Jahr auf etwa 90$ nachgeben.

Eigentlich wurde angesichts der graduellen Rücknahme der OPEC-Fördermengenkürzungen Schätzungen der EIA zufolge davon ausgegangen, dass zur Jahresmitte 2022 Ölangebot und -nachfrage wieder weitgehend ausgeglichen seien und das sich dann aufbauende Überangebot fallende Ölpreise bewirkt. Doch hat der Wegfall des russischen Angebots für einen Ausgleich zur geringeren Nachfrage gesorgt, die mit sich eintrübenden Konjunkturaussichten (Rezession 2023 im Base Case enthalten) erwartet werden kann – wenngleich der Wegfall deutlich geringer gewesen ist, als die russischen Ölexporte nach Europa suggerieren, da Länder wie China, Indien und Indonesien bereitwillig kaufen und der Weltmarkt somit nicht vollständig verzichtet.

Dennoch: Der Rückgang der Ölpreise fällt geringer aus als bislang unterstellt und wirkt sich zusammen mit dem schwachen Euro-Wechselkurs inflationstreibend aus. Dass Rohstoffe und USD sich derart gleichläufig entwickeln, ist dabei im Übrigen ein Novum. Und auch wenn derzeit die hohen Rohstoffpreise über steigende Fed-Erwartungen auch den US-Dollar treiben, spricht dies dennoch bereits für sich genommen dafür, dass eine der beiden Komponenten in Zukunft wieder die Gegenrichtung einschlägt, was sich in jedem Fall dämpfend auf die Euro-Inflationsrate auswirken wird.

Allerdings bleibt im Energiemarkt eine weitere Komponente: Mit dem geplanten Importstopp für russisches Öl ist es wahrscheinlicher geworden, dass Putin die russischen Gaslieferungen nach Europa in den kommenden Monaten zumindest temporär und/oder für weitere Länder reduziert, um das verbliebene politische Druckmittel effektiv zu nutzen. Dies dürfte den Gaspreis analog zum Ölmarkt unterstützt halten. Als Konsequenz dürften die Energiepreise somit vorerst weiter zur Inflation beitragen. Auf der anderen Seite erschweren kurzfristig erhöhte Energiepreise die Annahme, dass diese auch im kommenden Jahr inflationstreibend wirken – wahrscheinlicher ist, dass diese in 2023 leicht negativ auf die Teuerung wirken.



Lieferketten: Insbesondere aufgrund der noch immer aufrecht erhaltenen chinesischen Zero-Covid-Politik und den damit verbundenen Lockdown-Maßnahmen werden neue Belastungen für die internationalen Lieferketten befürchtet. Auch in diesem Zusammenhang spielt der Krieg in der Ukraine jedoch eine maßgebliche Rolle, befürchten europäische Unternehmen doch auch aus diesem Grund eine schlechtere Versorgung mit Vorleistungsgütern.

Der sog. Harpex Index (Harper Petersen Charter Rates Index) als Durchschnitt der Container-Frachtraten über verschiedene Routen und Schiffsgrößen ist seit dem Hoch im März allerdings um rund 5% gesunken. Rückläufige Container-Frachtraten und die ohnehin noch immer hohe Auslastung der westlichen Häfen sprechen neben den aktuell schon sichtbaren Zeichen rückläufiger Auftragseingänge in der Industrie dafür, dass die Engpässe in den Lieferketten derzeit eher nachlassen. Indikatoren wie der von der NY Fed berechnete Global Supply Chain Pressure Index oder ähnliche Indikatoren anderer Häuser (z.B. Goldman Sachs) kommen trotz der Einschränkungen in China zu einem ähnlichen Ergebnis.

Zudem häufen sich Berichte, nach denen sich viele Industrieunternehmen in den zurückliegenden Wochen mit Vorleistungsgütern versorgt und ihre Lager entsprechend aufgestockt haben, um gegen Lieferengpässe gewappnet zu sein, was auf der anderen Seite jedoch den Preisauftrieb bei den entsprechenden Produkten verstärkt hat.

Auch in der Euro-Verbraucherpreisinflation ist aktuell deutlich sichtbar, wie groß der Einfluss vergangener Lieferengpässe ist. Bildet man innerhalb der Kernrate eine entsprechende Unterscheidung der Produktkategorien nach Gütern und Dienstleistungen, die stark durch Corona-Einschränkungen bzw. Lieferengpässe auf den Weltmärkten beeinflusst sind, und denen, die es nicht bzw. weniger stark sind, so liegen die daraus resultierenden Teuerungsraten mehr als 1,5 Prozentpunkte auseinander. Auch weist der Preisanstieg bei den Produkten und Dienstleistungen, die unabhängiger von Corona-Einschränkungen und Lieferketten sind, einen deutlich flacheren Aufwärtstrend auf.

Unseres Erachtens dürften letztgenannte Komponenten ein besseres Bild der unterliegenden Inflationsrate bieten. Dies gilt insbesondere, wenn sich die Lieferketten tatsächlich graduell weiter entspannen oder sich zumindest weniger belastet von chinesischen Einschränkungen erweisen als noch im vergangen Jahr, wie es den Anschein hat. Für die USA zeichnen fallende Gebrauchtwagenpreise ein ähnliches Bild. Mit besserer Verfügbarkeit von Halbleitern und Vorprodukten sind Neuwagen wieder produzierbar geworden und die Knappheitsprämie von gebrauchten Automobilen wird weiter verringert. Da gebrauchte Fahrzeuge nahezu zehn Prozent Anteil an den US-Verbraucherpreisen besitzen, sorgt diese Komponente entsprechend auch dafür, dass die Inflationsrate in den USA im April voraus-sichtlich bereits die Trendwende hin zu niedrigeren Raten vollzogen hat. Hinzu kommt, dass – mit fallender Nachfrage und inflationsbedingt verringertem verfügbaren Einkommen – die Preismacht der Unternehmen verringert werden dürfte.



Lohn-Preis-Spirale: Auch ohne die Auswirkungen höherer Energiepreise oder dem Risiko erneut belasteter Lieferketten könnte die Inflationsrate allerdings länger hoch ausfallen als derzeit unterstellt, wenn Arbeitnehmer und Gewerkschaften die hohen Inflationsraten in anstehenden Gehalts- und Tarifverhandlungen berücksichtigen und Reallohnsteigerungen durchsetzen können.

Die Forderungen der IG Metall für die Stahlbranche in Höhe von gut acht Prozent sind ein Fingerzeig in diese Richtung. Auch die in Deutschland von der Bundesregierung beschlossene Anhebung des Mindestlohns wird die Lohnsteigerungen dieses Jahr rechnerisch deutlich erhöhen.

Sicherlich werden die Lohnabschlüsse in 2022 gegenüber den Vorjahren höher ausfallen – die positive Entwicklung der Unternehmensgewinne aus 2021 dürfte ebenfalls als gutes Argument hierfür herangezogen werden. Ob sich daraus eine Lohn-Preis-Spirale entwickelt, steht allerdings nur dann zu befürchten, wenn die Arbeitskräfte-Nachfrage weiterhin hoch ausfällt und Unternehmen notgedrungen steigende Löhne in Kauf nehmen, um Arbeitskräfte zu halten oder neu einzustellen. Eine gute konjunkturelle Lage und positive Wachstumsaussichten sind also vermutlich Grundvoraussetzung für eine entsprechende Entwicklung. Sollten die Tarifabschlüsse verstärkt Einmalzahlungen beinhalten, dürfte dies tendenziell gegen die Etablierung einer Lohn-Preis-Spirale sprechen.

In puncto Lohn-Preis-Spirale sind die USA der Eurozone sicherlich um einige Zeit voraus, wie bereits seit längerem deutlich steigende Löhne verdeutlichen. Der jüngste Arbeitsmarktbericht hat noch einmal bestätigt, dass aktuell der Stellenaufbau in der US-Wirtschaft mit gut 400.000 Stellen pro Monat durchaus ein ordentliches Tempo aufweist. Die Beschäftigungskomponenten der ISM-Indizes zeigen aber auch, dass sich die Aussichten für weitere Beschäftigungsgewinne trotz der Vielzahl offener Stellen eintrüben – sowohl im Dienstleistungsbereich als auch im verarbeitenden Gewerbe ist der Indikator zuletzt deutlich in Richtung der 50er-Marke gefallen. Kleinere US-Unternehmen, wie sie in der NFIB-Umfrage erfasst werden, haben ihre Einstellungspläne in den vergangenen Monaten ebenfalls deutlich verringert. Mit den Aussichten auf eine weiter an Dynamik verlierende Wirtschaft, die unseres Erachtens in 2023 in die Rezession abgleiten dürfte, stehen die Zeichen auf Verlangsamung am Arbeitsmarkt und entsprechend weniger gute Aussichten für Arbeitnehmer, hohe Lohnsteigerungen durchzusetzen – was auch für die Eurozone gilt.

 


Zusammenfassend bedeutet dies, dass wir unsere Inflationsprognosen für die Eurozone zwar auch zuletzt nochmals anheben mussten und bis zum Sommer wohl nicht mit deutlich fallenden Teuerungsraten im Währungsraum zu rechnen ist. Dennoch dürften die Inflationsraten noch in 2022 auf einen deutlich fallenden Trend einschwenken und kurz- wie mittelfristige Inflationserwartungen dann zumindest nicht weiter steigen oder sogar ebenfalls zu fallen beginnen.



Geldpolitische Straffung – Geschwindigkeit und Endpunkt-Diskussion

Aktuell sind es aber die hohen Inflationsraten, die die Notenbanken in den USA und im Euroraum zum Handeln zwingen. Die Fed hat mit ihrem zweiten Zinsschritt vergangene Woche zwar das Tempo an Leitzinserhöhungen auf 50 Basispunkte je Schritt verdoppelt, gleichzeitig noch größeren Schritten aber (zunächst) einen Riegel vorgeschoben. Dennoch ist davon auszugehen, dass sowohl im Juni als womöglich auch im Juli weitere Zinsschritte folgen werden und die US-Notenbank den Leitzins bis Jahresende auf gut zwei Prozent wird angehoben haben. Die EZB hat ihrerseits den Straffungskurs massiv beschleunigt. Die Anleihekäufe werden voraussichtlich im Juni vollständig beendet werden und im Juli dürfte aus heutiger Sicht tatsächlich der Einlagensatz um 25 Basispunkte angehoben werden – ein Schritt, der bis vor kurzem noch nicht zu unserem Basisszenario gehörte.

Beide Notenbanken scheinen gewillt, das aktuelle Umfeld hoher Inflationsraten und noch guter Konjunktur zügig zu nutzen. Im übertragenen Sinne soll eher im Sprint begonnen und dann das Tempo falls nötig gedrosselt werden, als nach gemächlichem Start festzustellen, dass der Besenwagen das Rennen beendet, bevor richtig losgelegt werden konnte – wir hatten in unserer Erwartung für 2022 eher auf den Besenwagen gesetzt, insbesondere hinsichtlich der EZB.

Für die Diskussion, ob die Renditen weiter steigen oder nach einer möglichen Stabilisierung eine Gegenbewegung einsetzt, dürfte aber wichtiger als die kommenden Zinsschritte sein, wo das Ende der Fahnenstange in puncto Leitzinsanhebungen erreicht ist.

Die sogenannte neutrale Rate, bei der die Geldpolitik weder expansiv noch restriktiv ausgestaltet ist und die beispielsweise über ein Modell geschätzt werden kann, das vom US-Notenbanker Williams mitentwickelt wurde, kann bei der Beurteilung helfen. Bloomberg Economics schätzt, dass für die EZB diese Rate aktuell in der Nähe von 1,5 Prozent liegt. Auch wenn dies über den derzeit zu beobachtenden Marktsätzen liegt und somit viel Raum für geldpolitische Straffung suggeriert, so muss auch festgehalten werden, dass die Kapitalmärkte bereits damit rechnen, dass die EZB ihren Leitzins in 12 Monaten auf dieses Niveau wird angehoben haben und dieser in zwei Jahren sogar bei fast zwei Prozent liegt – was einer restriktiven Ausrichtung der EZB-Geldpolitik entsprechen würde.

In den USA schätzen die im geldpolitischen Gremium der Fed vertretenen Notenbanker den langfristig neutralen Satz übrigens im Mittel auf knapp 2,5 Prozent. Auch hier rechnen die Kapitalmärkte mit einer zwischenzeitlich restriktiven Ausrichtung der Geldpolitik, wobei beginnend in 2023 bereits erste Leitzinssenkungen wieder ins Auge gefasst werden.

Tatsächlich scheinen die Notenbanken aktuell bereit, ein Abgleiten der Wirtschaft in eine (milde) Rezession zu tolerieren. Der Kampf gegen die Inflation hat derzeit Priorität.

Aus meiner Sicht ist es dennoch mehr als fraglich, ob das Zeitfenster für Leitzinsanhebungen noch zwei Jahre geöffnet bleibt. Selbst 12 Monate scheinen angesichts der konjunkturellen Aussichten ambitioniert. In jedem Fall müssten die Kapitalmärkte aber eine zunehmend restriktive Geldpolitik einpreisen, um von den aktuellen Niveaus ausgehend einen weiteren Anstieg der Renditen am Euro-Anleihemarkt zu ermöglichen. Die Zeit dürfte in dieser Hinsicht gegen die Bond-Bären laufen.



Nicht zuletzt mit Blick auf die Schuldentragfähigkeit hochverschuldeter Mitgliedsländer der Währungsunion – die bei rückläufigen nominalen Wachstumsraten und weiterhin expansiver Fiskalpolitik bereits auf derzeitigen Renditeniveaus zunehmend unter Druck gerät – dürfte der EZB aber kaum an einer (zu) restriktiven Geldpolitik gelegen sein. Der italienische Staat ist mit gut 150 Prozent der Wirtschaftsleistung verschuldet und zahlt derzeit im Schnitt etwa 2,5 Prozent Zinsen, was einem jährlich im Haushalt zu berücksichtigenden Schuldendienst von etwa 3,5 Prozent entspricht. Italien wird also bereits heute einen höheren Betrag für die Zukunft zurückstellen müssen, wenn am Kapitalmarkt neue Schulden mit einer Restlaufzeit größer sieben Jahre aufgenommen werden – da ab dieser Laufzeit die Rendite bereits oberhalb von 2,7 Prozent liegt. Langsam, aber sicher wird es somit teu(r)er für den italienischen Finanzminister – ein Schelm, wer unterstellt, dass sich Fabio Panetta, der italienische Vertreter im EZB-Rat, deshalb zuletzt mit einer vorsichtigeren Haltung zur zukünftigen EZB-Politik geäußert hat.

Auch unabhängig davon ist die Aussicht auf weiter steigende Staatsschulden sicher ein Treiber hinter dem Renditeanstieg. In den USA hat das Schatzamt in den vergangenen Wochen bereits mehr Gelder am Kapitalmarkt aufgenommen, als ausgegeben wurden, in der Folge sind die Einlagen des Schatzamt bei der Fed wieder deutlich angestiegen. Auf der anderen Seite hat die Fed weniger Anleihen am Kapitalmarkt erworben und beginnt in den nächsten Wochen, fällig werdende Papiere nicht mehr zu ersetzen und lässt somit die Bilanz abschmelzen. Die Bilanzverkürzung der Fed sollte für sich genommen daher kein Argument sein, dass die Renditen auf US-Staatsanleihen weiter ansteigen. Denn das Schatzamt wird in Zukunft wohl ebenfalls weniger Bedarf haben, neue Anleihen am Kapitalmarkt zu platzieren. Einer geringeren Nachfrage steht also ein knapperes Angebot zur Verfügung (der Anstieg der Einlagen betrug seit April 2022 etwa 400 Mrd. USD und gleicht damit die ersten sechs Monate Bilanzverkürzung durch die Fed locker aus).



Technik – Zeitenwende oder Korrektur

Charttechnische Aspekte sind in der Regel kein Bestandteil dieses Newsletters. Für die Positionierung ist es aus aktueller Sicht aber unabdingbar, das Risiko einer historischen Zeitenwende in der Zinslandschaft nicht außer Acht zu lassen.

Neben fundamentalen Aspekten ist aktuell festzuhalten, dass der Renditeanstieg die Verzinsung von Staatsanleihen bester Bonität – wie deutsche Bundesanleihen oder US-Treasuries – auf Niveaus gehoben hat, die den seit gut 40 Jahren bestehenden Trend zu rückläufigen Zinsen in Frage stellen. Daraus ergibt sich das Potenzial und die Sorge der Marktteilnehmer, dass ein weiterer Renditeanstieg umso größer ausfällt und damit mit noch größeren Kursverlusten verbunden wäre.

Auf der anderen Seite war die Kursentwicklung am Rentenmarkt in den vergangenen Monaten derart einseitig, dass eine baldige Gegenbewegung bzw. Korrektur normalerweise zu erwarten wäre, was auch den langfristigen Trendkanal womöglich wieder bestätigen würde. Saisonale Muster im Verlauf der Verzinsung von US-Staatsanleihen und die wieder erlangte Attraktivität der US-Staatsanleihen für japanische Investoren, sprechen ebenfalls dafür, dass die Renditebewegung aus diesem Blickwinkel heraus an Dynamik verlieren sollte. Ein ähnliches Bild ergibt sich mit Blick auf Flows und Positionierung, da Investoren zuletzt in großem Stil Gelder aus Anleihe-ETFs abgezogen haben und CFTC-Daten eine Verringerung der Short-Positionierung im Bereich 10-jähriger US-Treasuries zeigen.


Fazit

Es sind entscheidende Wochen, die den Rentenmärkten bevorstehen. Insbesondere der weitere Verlauf der Inflationsraten und der konjunkturellen Frühindikatoren sollte die geldpolitischen Aussichten und damit die Entwicklung der Renditen für Staatsanleihen dominieren.

Unseres Erachtens spricht weiterhin vieles dafür, dass die Inflationsraten – zunächst in den USA, dann ab Sommer in der Eurozone – einen Trendwechsel hin zu (deutlich) niedrigeren Raten verzeichnen. Die sich eintrübenden konjunkturellen Aussichten dürften zudem auf den Inflationserwartungen und den Aussichten auf zukünftige Leitzinssteigerungen lasten.

Das Zeitfenster für Zinsanhebungen und Renditesteigerungen am Anleihemarkt schließt sich.

Auch in den häufig als Vergleich zur aktuellen Lage herangezogenen 1970er Jahren waren im Übrigen im Rahmen der US-Rezessionen 1975, 1980 und 1983 neben fallenden Inflationsraten und (temporär) niedrigeren Leitzinsen der Fed auch (temporär) rückläufige Renditen von US-Staatsanleihen zu verzeichnen.

Geschichte mag sich nicht wiederholen, aber die fundamentalen Muster sind ähnlich.


Es ist daher unseres Erachtens wahrscheinlich, dass die Renditebewegung am Rentenmarkt in den kommenden Wochen ausläuft und eine Gegenbewegung einsetzt. Unsere Renditeprognosen für Bunds und US-Treasuries für das verbleibende Jahr 2022 mussten wir zwar erneut anheben, allerdings rechnen wir weiter damit, dass zum Jahresende deutlich niedrigere Niveaus vorherrschen.

Auch wenn dies eigentlich für eine deutlich offensivere Positionierung mit Hinblick auf die Duration spricht, ist es aus heutiger Sicht nicht ratsam, über eine neutrale, sprich analog zur Benchmark ausgerichtete, Durations-Positionierung hinauszugehen. Zu asymmetrisch ist das Chance-Risiko-Verhältnis, was bis zum Erhalt klarer Datenpunkte, die unsere Erwartung bzgl. Inflation und Wachstum bestätigen, für eine Fortsetzung des Renditeanstiegs spricht.

Daher halten wir an unserer Empfehlung fest, neben einer generell nur neutralen Duration in den Portfolios inflationsgeschützte Anleihen und Anleihen der Schwellenländer überzugewichten, da erstere eine attraktive Ergänzung zu nominalen Schuldtiteln im Portfolio darstellen und letztere dank der deutlich höheren laufenden Verzinsung einen besseren Schutz gegen weitere Zinssteigerungen bieten sollten. Auch unsere Aktien-Empfehlung kann vor diesem Hintergrund interpretiert werden. Denn weniger Druck auf der Rentenseite sollte sich im Aktienmarkt trotz erwarteter wirtschaftlicher Abschwächung positiv bemerkbar machen, aber mit erheblich mehr Chancen nach oben einhergehen, als dies im Rentenmarkt derzeit der Fall ist.


Ihr
Bernhard Grünäugl


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