BayernInvest | Konjunktur & Märkte

08.04.2022

Hohe Makrorisiken - vom Markt erkannt, von den Notenbanken ignoriert

Das erste Quartal hat bezogen auf die Erwartungen für 2022 einiges über den Haufen geworfen. Und angesichts des noch nicht beendeten Krieges in der Ukraine bleibt die Unsicherheit für die weitere Entwicklung hoch. Bislang waren die Auswirkungen für deutsche Verbraucher in erster Linie über steigende Energiepreise und drohende Ernteausfälle in Form von höheren Inflationsraten spürbar. Die Konjunkturerwartungen hingegen wurden zwar leicht abwärts revidiert, positive Wachstumsraten blieben bislang aber das Konsens-Basisszenario.

Dies würde sich bei einem möglichen Gas-Lieferstopp aus Russland allerdings schlagartig ändern. Die von diversen Studien in Aussicht gestellten negativen Effekte auf die deutsche Wirtschaft von maximal rund 3% dürften sich bei einem abrupten Lieferstopp aufgrund der schlechten Substitutionsmöglichkeiten und den engen Verflechtungen innerhalb der Wirtschaft als deutlich zu optimistisch erweisen. Generell sind die Wachstumsrisiken gestiegen – so viel steht fest.

Von Bernhard Grünäugl,
Leiter Investment Strategy und ESG Research der BayernInvest



Inhalte

  • Konjunkturelle Lage besser als erwartet
  • Renditeprognosen nicht angehoben
  • BayernInvest Asset Allokation-Empfehlung 

Konjunkturelle Lage besser als erwartet

Dabei ist aber auch festzuhalten, dass die aktuelle konjunkturelle Lage deutlich besser ist als die Erwartung. Die jüngste Erhebung des ifo Instituts bestätigt, dass die Unternehmen angesichts der vielen Risiken und der hohen Unsicherheit für den weiteren wirtschaftlichen Ausblick deutlich pessimistischer werden. Zum möglichen Damokles-Schwert eines Gas-Embargos gesellen sich mit den aktuellen Lockdowns in China und den damit verbundenen neuerlich befürchteten Belastungen für die Lieferketten auch die teurer gewordene Finanzierung von Investitionsvorhaben. Die Finanzierungskonditionen haben sich bereits verschärft und die erwartete Straffung der Geldpolitik verstärkt dies noch.

Auf der anderen Seite stehen die aktuell noch immer prall gefüllten Auftragsbücher der Unternehmen. Sich weiter verbessernde Arbeitsmärkte sind ebenfalls positiv anzumerken. Zumindest teilweise gleichen der sich fortsetzende Stellenaufbau und etwas höhere Lohnabschlüsse den durch hohe Inflationsraten entstehenden Kaufkraftverlust aus. Ohnehin haben die Konsumenten aber weiter aufgelaufene Ersparnisse aus den letzten beiden Jahren, die bei der in Europa und den USA weiter zu verzeichnenden Aufhebung der Corona-Beschränkungen noch immer zu Aufholungseffekten im Konsum beitragen werden.

Dass die aktuelle Lage besser ist als die Erwartungen, zeigt sich aber auch mit Blick auf die sog. Surprise-Indizes. Bis zuletzt sind die veröffentlichten Konjunkturindikatoren besser ausgefallen als befürchtet.




Dies spricht dafür, dass kurzfristig – auf Sicht der nächsten Monate – Rezessionssorgen unbegründet sind, solange ein Gas-Lieferstopp oder eine weitere deutliche Eskalation der geopolitischen Risiken vermieden werden. Dennoch deutet vieles darauf hin, dass sich die Wachstumsaussichten verschlechtern. Wir haben unsere BIP-Prognosen für die Eurozone und die USA weiter abwärts revidiert, dies seit Jahresbeginn, aber insbesondere für 2023. Insgesamt dürfte die Wirtschaft in 2023 kaum wachsen, einzelne Quartale werden negative Wachstumsraten aufweisen.

Die zuletzt temporär zwischen zwei und zehn Jahren Laufzeit invertierte US-Zinsstrukturkurve – ein sehr verlässlicher Frühindikator – verdeutlicht, dass der Countdown für die nächste Rezession bereits begonnen hat. 12 bis18 Monate bleiben in der Regel, bis die Wirtschaft schrumpft.


US-Notenbankchef Jerome Powell bevorzugt, mit der Differenz aus aktuellem 3-Monatssatz und dem erwarteten 3M-Satz in 18 Monaten auf das kürzere Ende der Kurve als vermeintlich besserem Rezessionsindikator zu blicken; doch dies erhöht nur die Wahrscheinlichkeit, dass sich das 2-10-Signal einmal mehr als richtig erweist. Denn letztlich ist das von Powell anvisierte Stück der Zinskurve stark von der Fed-Politik selbst abhängig und mit den Fed-seitig in Aussicht gestellten Zinserhöhungen kann man davon ausgehen, dass Powell in den nächsten 12 Monaten ebenfalls deutlich stärkere Rezessionssignale erhält. Bis dahin könnte die Fed aber munter an der Zinsschraube gedreht und somit selbst einen Beitrag zur Wachstumsverlangsamung geleistet haben.



Natürlich könnte man argumentieren, dass der Notenbank – angesichts hoher Inflationsraten und weiterhin bestehender Aufwärtsrisiken für die Verbraucherpreise – die Hände gebunden sind und eine deutliche Straffung der Geldpolitik angezeigt ist. Ein Argument, das für die Fed, aber auch für die EZB herangezogen wird.

Und tatsächlich liefern die nochmals deutlich höher als erhofft ausgefallenen Preissteigerungsraten und die auf Inflationsbekämpfung fokussierten Notenbanken – so nutzlos im aktuellen Umfeld Zinsanhebungen für diesen Zweck auch sein mögen, wie einige EZB-Vertreter zuletzt unumwunden zugegeben haben – die Grundlage dafür, dass die meisten Auguren seit Jahresbeginn die Prognosen für die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen und deutscher Bundesanleihen stark anhoben.

Von 2% auf aktuell 2,3%, die laut Bloomberg für das Jahresende 2022 im Mittel für US-Treasuries (UST) erwartet werden, bzw. von gerade einmal knapp 0,1% auf 0,45% für deutsche Bunds. Da die am Kapitalmarkt aktuell zu beobachtende Rendite nochmal etwas höher liegt, dürften die Prognosen in der näheren Zukunft wohl weiter steigen.

Renditeprognosen nicht angehoben

In der BayernInvest haben wir seit Jahresbeginn unsere Prognose für die Verzinsung oben genannter Staatsanleihen zum Jahresende 2022 abwärts revidiert. Zwar waren wir mit deutlich über dem Konsens liegenden Renditeerwartungen ins Jahr gestartet, aber der starke Zinsanstieg im ersten Quartal kam ebenso wie die oben genannten Ursachen auch für uns überraschend. Und auch unsere auf 1,6% bzw. 0,2% revidierten Renditeziele für 10-jährige USTs bzw. Bunds per Ende 2022 könnten sich als falsch herausstellen, keine Frage. Aber die Zeichen sprechen unseres Erachtens eindeutig dafür, dass sich die Vorzeichen der Renditeentwicklung drehen.



Die bestehenden Konjunkturrisiken und die bereits im ersten Quartal an den Kapitalmärkten erfolgte Straffung der Finanzierungsbedingungen wird sich in schwächeren konjunkturellen Frühindikatoren, geringerer Kreditnachfrage und vermutlich letztlich auch in einer für das Jahr 2023 zu erwartenden Rezession niederschlagen – mit allen zugehörigen, die Kerninflationsrate dämpfenden Effekten.

Gleichzeitig werden aber auch die durch den Krieg in der Ukraine nochmals belasteten Lieferkettenprobleme aller Voraussicht nach nicht dauerhaft anhalten. Und sei es, dass durch geringere Auftragseingänge und fallende Nachfrage hier für Entspannung gesorgt wird. Trotz Sanktionen werden auch die globalen Energiemärkte die derzeitigen Verwerfungen überwinden. China, Indien, Indonesien und andere Länder scheinen gerne bereit zu sein, relativ günstige russische Rohstoffe zu importieren. Das bedeutet auf der anderen Seite aber auch, dass diese Länder von ihren zuvor genutzten Lieferländern weniger nachfragen. Und höhere Preise, wie sie derzeit im Öl- und Gasmarkt zu verzeichnen sind, erhöhen die Anreize zu steigender Förderung beispielsweise in den USA, sowie der Arbeit an besseren Substitutionsmöglichkeiten dieser Rohstoffe in energieintensiven Branchen. Letzteres wird wohl länger als bis zum Jahresende benötigen, aber generell scheinen sich aus heutiger Sicht nicht nur die Notenbanken zu stark auf immer höher ausfallende Inflationsraten zu fokussieren. Ganz im Gegenteil: Es bestehen auch Chancen (oder aus Zentralbanksicht Risiken), dass die Inflationsraten stärker fallen als derzeit erwartet.

Die in den vergangenen Wochen in Europa von den nationalen Regierungen vorgenommenen Eingriffe zur Entlastung der Verbraucher sind hier beispielhaft zu nennen. Die Auswirkungen auf die Inflationsraten der kommenden Monate sind kaum zu quantifizieren, zu unterschiedlich sind die Maßnahmen auch in Bezug auf ihren Wirkungskanal. Immerhin reichen diese von (temporärer) Senkung direkter und indirekter Steuern über die Kappung bestimmter Energiepreise bzw. Preissteigerungen und der Subvention von Ersatzprodukten. Eine grobe Annäherung dürfte aber einen inflations-dämpfenden Effekt von etwa 0,5-1 Prozent-punkt ergeben, der in den nächsten gut drei Monaten in die Euro-Inflationsentwicklung Eingang finden wird. Die Inflationsrate könnte also zum Jahresende 2022 bereits wieder deutlich unter der drei Prozent-Marke landen.

Während aktuell also noch nahezu alle Argumente zugunsten höherer Renditen ausfallen, dürften im Jahresverlauf von hohen Niveaus (deutlich) rückläufige Inflationsraten, schlechtere Wachstums- aussichten und die teilweise erfolgte geldpolitische Normalisierung dann für fallende Zins-Erwartungen sprechen.

Das zeichnet sich aus unserer Sicht bereits deutlich ab. Aktuell scheinen sich Märkte und Notenbanker allerdings erst verspätet, dann dafür umso heftiger, auf sich verändernde Makro-Trends einzustellen.

Zusammengenommen spricht dies dafür, dass an den Kapitalmärkten zwar weiterhin die ohne Zweifel bestehenden Risiken aufmerksam observiert werden müssen, die Chancen aber nicht aus den Augen verloren werden dürfen.


Steigende Gewinnerwartungen im Aktienmarkt sind aus unserer Sicht durchaus mit der zu erwartenden noch relativ guten konjunkturellen Lage in Einklang zu bringen. Um gut 10% könnten die Unternehmensgewinne in 2022 zulegen. Normalisierte Bewertungsniveaus sprechen zusammen mit aktuell zu hohen Zinserwartungen und auch zu hohen Renditen im Bereich der Staatsanleihen unseres Erachtens daher auch weiterhin für eine konstruktive Sicht auf die Assetklasse Aktien auf Sicht der nächsten Monate. Allerdings scheinen US- und EM-Aktien gegenüber Unternehmen aus dem Euroland derzeit die sicherere Wahl zu sein.

Vor dem Hintergrund dieser Erwartungen empfiehlt die BayernInvest, US-Staatsanleihen bereits wieder mindestens auf Benchmark-Gewicht zu allokieren. Euro-Staatsanleihen sind unter Chance-Risiko-Gesichtspunkten ebenfalls wieder attraktiver, auch wenn kurzfristig höhere Renditen nicht ausgeschlossen werden können. Innerhalb der Renten-Anlageklassen spricht unseres Erachtens derzeit noch immer viel dafür, den Fokus auf inflationsgeschützte Anleihen als attraktive Beimischung im Portfolio zu setzen und auch Schwellenländer-Anleihen bieten aufgrund der attraktiven Carry gute Ertragschancen. Im Bereich der Euro-Unternehmensanleihen waren nach den erfolgten Ausweitungen der Risikoaufschläge, quasi über alle Ratings, Laufzeiten und Sektoren hinweg, in den vergangenen Wochen bereits wieder deutliche Einengungen der Risikoaufschläge zu verzeichnen. Vielfach liegen die Spreads nur noch wenige Basispunkte über den Niveaus, die Ende Januar zu verzeichnen waren.

Auch in dieser Phase (Februar/März 2022) war aber festzustellen, dass sich Emittenten mit hohen ESG-Ratings, also einem aus Nachhaltigkeitsgesichtpunkten geringeren Risiko, besser entwickeln konnten als vergleichbare Anleihen, deren Emittenten ein niedriges ESG-Rating aufwiesen. Für die im iBoxx Euro Corporate Senior Index enthaltenen Titel zeigt sich über die Sektoren ein relativ konsistentes Bild, was trotz der derzeitigen Fokussierung vieler Marktteilnehmer auf die Entwicklung der Energiepreise und die damit verbundenen Geschäftsaussichten der entsprechenden Unternehmen dafür spricht, dass die Integration von Nachhaltigkeitsaspekten einen wertvollen Beitrag zur Senkung des Portfoliorisikos bieten kann.



Ihr
Bernhard Grünäugl


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